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08. November 2023

Sprache ist kein Hindernis

Ausländische Fachkräfte sind die Zukunft der Pflege
Pflegeunterricht an der BBS Marienhain: Julia Tapke-Jost erklärt an einer Puppe die Körperpflege bei bettlägerigen Personen. „Pflege bedeutet auch, Menschen zu berühren“, sagt sie. Das Gesicht wird ohne Seife gewaschen, um die Augen nicht zu reizen. Ein eigener Waschlappen und ein zweites Handtuch für den Intimbereich verhindern, dass beim Waschen Bakterien verbreitet werden. Schmuck soll abgelegt werden. „Achten Sie auf rückenschonendes Arbeiten.“ Scheinbar ein ganz normaler Pflegekurs.

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Julia Tapke-Jost erklärt an einer Puppe die Körperpflege bei bettlägerigen Personen.

Pflegeunterricht am BettGroßansicht öffnen

Aya Fardadi, Niklas Milke und Oumeima Rahmouni (v.l.) probieren unter Aufsicht von Julia Tapke-Jost (2.v.r.) das richtige Waschen einer bettlägerigen Person.

Nein, dieser Kurs ist anders als die der Vorjahre - denn die meisten Anwesenden kommen aus dem Ausland. Überwiegend aus Marokko und Vietnam. Unter ihnen Oumeima Rahmouni (24) und Aya Fardadi (19). Sie stammen aus Agadir in Marokko. Seit wenigen Wochen leben und arbeiten sie in Deutschland. Die eine im Haus Maria Rast in Damme, die andere im Haus St. Benedikt in Visbek. Zur Schule gehen sie nach Vechta. Ihr Berufswunsch: Pflegefachkraft.

Wieso kommen sie dafür nach Deutschland? Und warum sprechen sie schon so gut Deutsch? „Ich habe Deutsch auf der Sprachschule in Agadir gelernt“, erklärt Aya. In einem Jahr? Ja. Aber nicht nur Deutsch. Neben Arabisch spricht sie auch fließend Persisch, Französisch und Englisch. Deutsch findet sie gar nicht so schwer. Von der Möglichkeit, einen sicheren Arbeitsplatz in der Pflege zu bekommen, hat ihnen der Direktor ihrer Schule erzählt. „Hier ist es viel einfacher, an die Ausbildung zu kommen und nachher damit auch Geld zu verdienen,“ sagen die beiden. Oumeima hatte vor Corona eine Ausbildung zur Buchhalterin gemacht. „Mein Alltagsleben war bisher wie ein Praktikum zur Pflege. Ich habe drei Omas und Uromas,“ lacht Aya. Kulturelle und religiöse Hindernisse sehen sie nicht. „Wir können Frauen und Männer pflegen, unsere Religion schreibt nicht vor, wem man helfen darf oder wem nicht.“ Beide haben die Unterstützung ihrer Eltern. Neben dem Unterricht bekommen sie wöchentlich vier Stunden Deutschunterricht. Die Ausbildung macht ihnen viel Spaß. Ihre weiteren Pläne? Nach der Ausbildung eine Weiterbildung, dann nach einigen Berufsjahren vielleicht wieder zurück. „Mein Land braucht meine Fähigkeiten, die ich hier gelernt habe“, sagt Aya.

Unterstützung bekommen sie nicht nur von den Lehrkräften. Niklas Milke (31), der nach einigen Jahren als Feinmechaniker in die Pflege wechselt, merkt täglich, wie motiviert seine Mitschülerinnen sind. Daher hilft er ihnen immer wieder, wenn es sprachlich klemmt. Denn trotz guter Deutschkenntnisse - Begriffe wie Rollator, Waschlappen oder Bettgitter können sie nicht kennen.

Ohne diese Fachkräfte keine Pflege mehr
"In den vergangenen Jahren hatten wir je 2-3 ausländische Teilnehmerinnen. Im aktuellen Kurs sind es drei Viertel," sagt Stefan Thierbach, Leiter der Berufsfachschule Pflege. Die meisten kommen aus Marokko und Vietnam, weitere aus Serbien, Aserbeidschan, Iran und Serbien. Ohne sie würde der Kurs nicht stattfinden, die Einrichtungen könnten ihre Plätze nicht besetzen. Und einige Frauen bringen schon qualifizierte Ausbildungen mit. Viele sind mehrsprachig, einige Mütter. „Ohne diese Fachkräfte würde die Pflege bei uns zusammenbrechen“, bringt es Thierbach auf den Punkt.

Für Schule und Arbeitgeber bedeutet das radikales Umdenken. Die Mobilität muss geregelt, Wohnungen besorgt werden. Beides große Herausforderungen. Dazu müssen das Unterrichtsmaterial und die -sprache angepasst werden. „Diese jungen Leute haben eine unheimliche Motivation und Lernbereitschaft,“ erlebt es Thierbach. „Wir müssen es deshalb schaffen, dass sie hierbleiben und nicht scheitern.“ Wenn das klappt, könnte es steten Nachschub geben. Allein aus der Klasse von Aya und Oumeima sind 13 von 35 nach Deutschland gegangen. Die meisten arbeiten in der Pflege. Und: „In Agadir lernen ca. 3.000 junge Menschen Deutsch, in Casablanca noch einmal 6.000,“ sagt Aya. „Viele möchten hier arbeiten. Die Sprache ist kein Hindernis für uns.“

Ludger Heuer